Die 14. European Maccabi Games (EMG) in Berlin sind zwar schon vorüber, aber die Erinnerungen an die Jüdische Olympiade sind noch frisch. Das liegt auch am 14-jährigen Tim Artarov aus Münster (Westfalen). Tim war mit dreimal Gold und einmal Silber der jüngste und gleichzeitig erfolgreichste Athlet der Tischtennis-Wettbewerbe. Betreut wurde er in Berlin von seinem Heimtrainer Peter Luthardt. Der WTTV-Lehrwart blickt für uns auf die EMG 2015 zurück – und beleuchtet die Historie der EMG, die politische Dimension sowie die Organisation und Wettkämpfe.

Die Geschichte der Maccabi Games und die politische Dimension

Im 2. Jahrhundert v. Chr. führte der Freiheitskämpfer Judas Makkabäus (hebräisch: Jehuda haMakabi) sein Volk in eine Schlacht gegen die Seleukiden, die von den Juden gefordert hatten, ihrer Religion abzuschwören. Makkabäus gewann die Schlacht und blieb als heldenhafter Feldherr in kollektiver Erinnerung. Ihm zu gedenken erhielt die erste Makkabiade 1932 in Tel Aviv ihren Namen.
Die Maccabi Games werden oft als die Jüdische Olympiade betitelt. Alle vier Jahre finden die European Games statt und dazwischen – jeweils zwei Jahre versetzt – die World Games (Maccabiah) in Israel.
Hier treffen die besten Sportler jüdischen Glaubens aus den einzelnen Nationen in 19 Sportarten aufeinander und ermitteln ihre Champions in vielen olympischen, aber auch manchen (bislang) nicht-olympischen Disziplinen. Dazu zählten auch die „Junior-Wettbewerbe“ (U18) im Tischtennis, an denen mit Tim Artarov (14) aus Münster der jüngste Athlet für Deutschland an den Start ging.

Insgesamt kämpften 2.300 Teilnehmer aus 37 Nationen in 166 Wettbewerben um die Medaillen und noch mehr Platzierungen, denn auch hier gilt der olympische Grundsatz: Dabei sein ist alles! Und dennoch: Diese erstmalig in Deutschland ausgetragenen European Maccabi Games hatten eine besondere politische Dimension. An der Stätte der verschleiert weltoffenen Präsentation des nationalsozialistischen Unrechtsstaates während der Olympiade 1936 in Berlin, veranstalteten nun die Nachfahren der verfolgten Generation wirklich friedliche Spiele in internationaler Einigkeit und Freundschaft, alle im gleichen Glauben, aber jeder als Vertreter seines Landes. So war die Vergabe nach Berlin auch nicht unumstritten.
Kurz vor den Spielen sagte Alon Meyer, Präsident von Makkabi Deutschland dem Stern (31, 2015), es gab Gegenstimmen, „vor allem von Shoah-Überlebenden und deren Kindern. Das waren nicht wenige.“ Aber die jüngere Generation habe sich durchgesetzt. Der erste jüdische Turnverein wurde in Berlin gegründet, und so schließt sich für Meyer der Kreis: „Hier hat alles angefangen. Hierhin kehren wir zurück.“ Makkabi Deutschland e.V besteht derzeit aus 37 unabhängigen Makkabi-Ortsvereinen und sie sind offen für alle Sportler gleich welcher Religion, Hautfarbe oder Nationalität.

Die Organisation der EMG 2015

Athleten und Betreuer aller Nationen waren gemeinsam im Neuköllner Estrel-Hotel untergebracht. Die Fahrten zum Olympiapark wurden zentral organisiert mit Bussen des Berliner Verkehrs-Verbundes, jeweils eskortiert von Einsatzwagen der Berliner Polizei. Die Angst vor Anschlägen war noch da, die Geschehnisse der Olympiade 1972 in München noch im Hinterkopf. Aber Kompliment an die Berliner Polizei und Sicherheitsbehörden, die immer präsent waren, aber sehr zurückhaltend und angenehm unspektakulär agierten, ob bei der Absicherung des Geländes oder auch bei den Personenkontrollen an den Zugängen. Die jungen Sportler nehmen die Sicherheitsvorkehrungen, wie auch die geschichtliche Dimension eher am Rande wahr. Zu lang liegt die Shoah für sie zurück und die Ereignisse der Olympiade in München liegen zum Teil auch noch weit vor Ihrer Geburt. Sie sind in erster Linie fokussiert auf Ihren sportlichen Wettkampf. Doch trotz der Dichte der sportlichen Events bleibt Zeit für Sightseeing, auch an geschichtsträchtigen und gedenkenden Plätzen wie Brandenburger Tor oder Holocaus-Denkmal.
Tim genießt die Eindrücke der großen Hauptstadt und vertritt selbst an den Stätten der Erinnerung an eine dunkle Vergangenheit – wenn er auch etwas ernster wirkt, als es seiner sonstigen Art entspricht – die junge, unbekümmerte Generation der Deutschen. Es ist gut so. Für die etwas ältere Generation der jungen Sportler, aber auch den Übergang zur ganz jungen Generation, kann vielleicht das Statement des Marathonläufers Philipp Peyman Engel stehen (s. Stern 31, 2015): „Die Maccabi Games in Deutschland, im Berliner Olympiapark, sind ein offensives, souveränes Signal an alle. … Es ist gut, hier zu sein. Trotz allem.“

Die Wettkämpfe im Tischtennis

Die Medaille hat den Bisstest bestanden (@Peter Luthardt)
Die Medaille hat den Bisstest bestanden (@Peter Luthardt)

Auch hier sind die deutschen Ballkünstler, wie Timo Boll & Co., in Europa Spitze. Aber anders als gewohnt, ist nicht von Franzosen, Belgiern oder Weißrussen die größte Gegenwehr zu erwarten, sondern aus Großbritannien. Tatsächlich haben die Briten auch diesmal eine starke Equipe an den Start gebracht.
Die Junior-Tabletennis-Competition beginnt mit dem Junior-Team-Wettkampf. Hier spielen 2er-Teams im Corbillon-Cup-System 2 Einzel, 1 Doppel und –über Kreuz- wieder 2 Einzel, allerdings nur bis zum dritten Sieg einer Mannschaft. Tim Artarov (Münster, Westfalen) vertritt das Team Deutschland 1 mit seinem Partner Jurij Magit aus Mainz. Die beiden spielen sich mit Siegen gegen Deutschland 2, Großbritannien 2, die Türkei und eine Europa-Auswahl in das Finale gegen Großbritannien 1, das das deutsche Junior-Team schließlich mit 3:1 für sich entschied. In den folgenden Wettbewerben der Doppel- und Mixed-Konkurrenz „hagelt“ es ebenfalls Medaillen für Deutschland. Tim erringt Gold mit seinem Partner Jurij Magit gegen Großbritannien im Doppel und auch mit seiner Partnerin Valeria Sokolova im Mixed gegen eine litauisch-britische Kombination.
Im abschließenden Einzel-Wettkampf kam es dann zum fast schon erwarteten Show Down in einem rein deutschen Endspiel zwischen Tim Artarov und Jurij Magit, das der Mainzer knapp in 3:2 Sätzen gewann. Insgesamt entschied die deutsche Tischtennis-Equipe (Junioren/Senioren) von 10 Wettbewerben 9 für sich. Nur Großbritannien durchbrach mit einem Sieg im Doppel der Senioren-Konkurrenz diese Phalanx. Am 4. August gingen die Tischtenniswettkämpfe mit der Entscheidung im Einzel zu Ende. Die Siegerehrungen fanden für alle Konkurrenzen gemeinsam am Nachmittag auf einer Bühne auf dem Jahnplatz statt. Das alles professionell, aber – wie die ganzen Spiele – fröhlich und ungezwungen.
Für Tim und alle Beteiligten war es ein Riesen-Erlebnis. In zwei Jahren werden die Sportler zu den World Games in Israel gerufen. Dieses Sportfest gehört mit über 10.000 Teilnehmern zu den größten Sportevents der Welt. Und Tim hat gute Chancen, für die deutsche Equipe nominiert zu werden. Denn wer lässt schon einen mehrfachen Goldmedaillengewinner zuhause?

Wer nochmal einen bewegten Eindruck von den Spielen erleben möchte, der schaut am besten unter:
http://www.hauptstadtsport.tv/EMG2015/

 

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